Das Mangaliza
Text von: www.slowfoodaustria.at
Borstenvieh und Schweinespeck
Anfang der Neunzigerjahre kaufte Johann Raggam aus Siebing ein paar
schwalbenbäuchige Mangalizaschweine – besser als ungarische Wollsauen
bekannt – und einen Eber dieser Rasse. Seit damals züchtet der Landwirt
diese vom Aussterben bedrohte alte Haustierrasse. Weil sein Speck und
Fleisch einen besonders guten Geschmack hat, zählte das Wollschwein
früher nicht nur in Ungarn zu den meist gehaltenen Schweinerassen.
Bis sich die Bedürfnisse und Ernährungsgewohnheiten der modernen
Menschen änderten und bald nur noch fettarme Schweine mit ein paar
Koteletten mehr gefragt waren. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt:
wässrig-magere, geschmacksarme Schrumpfschnitzeln. Am Hof der Familie
Raggam wird das Mangalizaschwein nicht nur vor seinem Untergang
bewahrt, sondern auch zu hervorragenden Delikatessen veredelt:
Kräuterspeck, Paprikaspeck, Salami, Käsewurst, Verhackerts, in Fett
eingelegte Selchwürstel, geriebene Grammeln, Grammelschmalz,
Leberaufstrich und Geselchtes.
Selbst das traditionelle Küberlfleisch – benannt nach der alten südsteirischen Konservierungsmethode, bei der geräuchertes Fleisch in einem Kübel voll Schmalz eingelegt wurde – ist hier im Ab-Hofverkauf erhältlich. Apropos Schmalz: Probieren Sie einmal das Fett vom Mangalizaschwein zum Braten und Backen – ein unbeschreibliches Geschmackserlebnis. Ach so, Angst vor zu viel Fett. Dann essen sie halt nur halb so viel – aber dafür doppelt so gut!
Text von: www.alacarte.at
Der Salami-Dreikampf
[...]
Bei Stastnik überlässt man jedenfalls nichts dem Zufall, der bei
kleineren Produzenten sehr wohl noch ein Wörtchen mitzureden hat. Bei
Johann Raggam aus der Steiermark, zum Beispiel, der schon einmal
zufällig zu den Tieren kam, die er zu seinen so unvergleichlichen
Würsten verarbeitet: Der Obstgarten sollte als Weide für Tiere
nebengenutzt werden, Schafe hatte Raggam ursprünglich im Sinn, aber da
protestierte sein Nachbar. Das ungarische Steppenschwein war die zweite
Wahl, irgendwie kam er dann aber zum Mangalitza- oder Wollschwein, vor
fünfzehn Jahren noch eine absolute Rarität, mittlerweile längst im
Visier von Feinschmeckern mit einem ausgeprägten Sinn fürs Besondere.
"Als er das erste Mal so ein Tier schlachtete", erzählt Johann Raggam,
"hab ich geglaubt, mich haut's am Hintern, nur Fett, das ist wirklich
eine fette Sau!" Die Herstellung seiner "Speckwurst" war somit nur
logisch, irgendwohin musste das Material ja, wenngleich sich diese
Extrem-Salami anfänglich nicht unbedingt allergrößter Beliebtheit
erfreute.
Das hat sich aber geändert, Johann Raggam ist in der ganzen Steiermark
für seine Wollschwein-Spezialitäten bekannt, und wenn man irgendwo ein
Wollschwein auf einer Speisekarte oder einem Etikett sieht, ist die
Wahrscheinlichkeit groß, dass es einst in Johann Raggams Obstgarten
wühlte.
Am Anfang hätte das mit den Würsten jedenfalls nur mäßig gut
funktioniert, "ich habe lange gebraucht und inzwischen viele im Wald
entsorgt – für die Füchse". Mittlerweile kennt er das subtile Spiel mit
Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Reifung, mittlerweile weiß er auch,
dass der weiße Schimmel zwar prächtig und wunderschön gedeiht, dass
dann bald aber der grüne Schimmel kommt und auch prächtig gedeiht, und
dann haben schon wieder einmal die Füchse was. Deshalb räuchert er die
Wollschweinwürste, was optisch zwar vielleicht ein kleines Manko
darstellt, dafür aber Sicherheit garantiert – durch das Räuchern stirbt
der Schimmelpilz rasch ab – und auch dem Geschmack gar nicht schlecht
bekommt. An die sechzig Wollschweine hat Johann Raggam heute, er ist
Mitglied des Vereins zum Schutz aussterbender Haustierrassen, und die
Wahl, welches Schwein als nächstes zu Salami wird, trifft er
vergleichsweise einfach: "Ich nehm einfach die größten raus". 140 Kilo
Wurst erzeugt er am Stück, und sich auf die Warteliste setzen zu
lassen, zahlt sich auf jeden Fall aus.
[...]
Wollschwein-Specksalami 8,2
Platz 2 für eine der speziellsten Würste, die derzeit in Österreich hergestellt wird: Die "feine" und die "Speck-Salami" stellt Johann Raggam jetzt schon seit ein paar Jahren her, man darf allerdings vermuten, dass er immer besser wird. Kalorienzähler mögen sich beim Anblick der Specksalami vielleicht schrecken, denn der Anschnitt dieser bei steirischen Buschenschanken äußerst beliebten Wurst zeigt doch eher mehr Weißes als Rotes. Doch wie komplex, wie köstlich! "Irre Optik, riesen Fett-Stücke, nussig, leichte Rauch-Note", "rustikal, sehr eigenständig, wunderbare Wurst", "Rotwein mit Fettstücken, hervorragend", "archaische Ursalami, derb, aber stimmig".